• Homöopathen ohne Grenzen
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Einblick Ruanda April 2019

Ein aussichtsreiches neues Projekt in Ruanda entsteht gerade. Elisabeth von Wedel, Matthias Strelow und Silvia Anna Brinkmann waren im Herbst 2018 in Ruanda. In vielerlei Hinsicht waren sie überrascht und beeindruckt – sowohl von einem Land, dass als die „Schweiz“ Afrikas gilt, als auch von der Aufarbeitungskultur des Genozids, der selbstbestimmten Rolle der Frauen dort (60% Frauenanteil im Parlament), dem Klima und den Möglichkeiten, dort die Homöopathie zu etablieren.

Die Projektanfrage wurde von Theoneste Buginga, Krankenpfleger für Psychiatrie, Abteilungsleiter und graduierter Homöopathie Student (London College for Practical Homeopathy) an HOG gestellt. Er organisierte ein gut durchdachtes Treffen mit u.a. dem Vorsitzenden der traditionellen Therapeuten, dem Gründer und leitenden Psychologen der NGO LIWOHA sowie bereits ausgebildeten Homöopathen (allerdings mit einer sehr pathologisch orientierten Ausbildung mit organotroper, entgiftungsorientierter Anwendung von homöopathischen Mitteln, inklusiver Gabe mehrerer Mittel), einem Biologen und Forscher sowie einem Professor für Education and Public Policy. Sie alle haben nicht nur großes Interesse gezeigt, sondern auch den Willen, die Informationen rund um das Projekt weiterzugeben. Positiv gestalteten sich auch erste Kontakte, die Elisabeth, Silvia Anna und Matthias mit dem Gesundheitsministerium hatten. Denn es besteht eine große Chance, die Homöopathie in das Gesundheitssystem Ruandas implantieren zu können. Gespräche mit Justin Kabera, Biologe und Forscher im Bereich der Phytotherapie an der Universität Butares, der gute Beziehungen sowohl zum MoH (Ministery of Health) als auch zum Departement für Complementary Medicine hat, ergaben, dass das Gesetz zur Reglementierung der komplementären Heilkunde kurz vor der Fertigstellung steht.

Dies stärkt die traditionellen Mediziner vor Ort und würde ihnen zur größeren gesellschaftlichen Reputation verhelfen, wenn sie sich zusätzlich ausbilden lassen würden. Für HOG würde das bedeuten, dass die Registrierung bzw. Zulassung homöopathischer Mittel gewährleistet ist. Bei den nächsten Schritten geht es u.a. um die Erstellung von Unterlagen zur Zulassung der Homöopathie, die Registrierung der Homöopathika, die Nachschulung der bereits ausgebildeten Homöopathen, die Abklärung von Räumen, Unterrichtsmaterialien und Unterrichtsinhalt, einen Zeitplan – und ob Naturheiler, Nurses und Ärzte zusammen ausgebildet werden dürfen. Geplant ist es, mit der Akutbehandlung zu beginnen und dann darauf aufzubauen. Sinnvoll wäre eine Mischung aus e-learning und Präsenz zwei- bis viermal im Jahr über ca. drei Jahre. Möglicherweise kann es schon Ende 2019 losgehen.

Beatrix Szabo

Einblick Ruanda April 2021

Karibu Sana! (Sehr willkommen): Erfolgreicher Projektstart in Ruanda

Es ist 8.30 Uhr an einem Samstag im März 2021 – und endlich geht es los. Gebannt sitze ich vor dem Rechner und warte auf die TeilnehmerInnen, die sich für unseren Online-Einführungskurs angemeldet haben. In Zeiten der Pandemie war die Entwicklung in unserem Projekt Ruanda weitestgehend zum Stillstand gekommen. Die Zusage des Gesundheitsministeriums in Kigali zum Start unserer konkreten Arbeit lässt noch immer auf sich warten. Zu sehr war Covid 19 in den Vordergrund gerückt, so dass die Verabschiedung der Gesetzesvorlage zur Neuregelung der komplementären und alternativen Heilverfahren noch immer nicht vollzogen wurde. An Reisen war außerdem nicht zu denken, denn auch in Ruanda war das gesellschaftliche Leben durch scharfe Lockdown-Maßnahmen sehr eingeschränkt. So blieb uns nichts anderes übrig, als über das Jahr hinweg den Kontakt zu unseren homöopathiebegeisterten PartnerInnen zu halten. Diese haben ihrerseits die Zeit genutzt und sich – allen bürokratischen Hürden zum Trotz – zur Ruandan Homeopathic League, einem Verein zur Förderung der Homöopathie in Ruanda zusammengeschlossen. Somit ist vor Ort eine Plattform geschaffen worden, die uns in Zukunft als Ankerpunkt und Kooperationspartner für sämtliche Fortbildungsinitiativen dienen kann.

Nun wollen wir also tatsächlich in Ruanda starten und zwar mit einem blended learning concept. Blended learning bedeutet, den Unterricht vielfältig zu gestalten: Online-Unterricht sowie Präsenzveranstaltungen, bereichert durch individuelle Eigenarbeit, Hybridveranstaltungen je nachdem, was eben möglich ist und was die einzelnen Unterrichtsthemen verlangen. Im März ging es los mit der Einführung in die Prinzipien der Homöopathie. Vier Termine jeweils mit 3 bis 4 Stunden haben wir geplant, so dass es für alle von der Konzentration her machbar und in den Alltag integrierbar ist. Ist diese Einheit vollzogen, werden wir fortfahren mit einer ausgewählten Gruppe an InteressentInnen und in die komplexen Themen der Homöopathieausbildung einsteigen.

Ruanda – bekannt als „die Schweiz Afrikas“ – macht diesem Ruf insofern alle Ehre, als dass die Internetverbindungen halbwegs stabil und so schnell sind, dass Videounterricht möglich ist – ein Luxus, der uns in vielen anderen HOG-Projekten nicht beschert ist. Wir starten also: 23 Interessierte hatten sich für die Einführung angemeldet, tatsächlich sind aber nur zehn Teilnehmende dabei. Die Tücken der Technik erweisen sich dann doch als höher als erwartet. Diejenigen, denen die erste Teilnahme gelungen ist, sind allerdings motiviert, darunter ein Kinderarzt und Onkologe, der schon vor einem Jahr angefragt hatte und sich freut, nun endlich beginnen zu können. Er betreut zwei Kliniken im Land und hofft, seinen jungen PatientInnen künftig neben dem Einsatz seiner schulmedizinischen Kompetenzen auch homöopathische Hilfe anbieten zu können. Zwei Allgemeinärzte, ein Psychiater und PsychologInnen sind mit an Bord, ein Chemiker und ein Botaniker ebenfalls. In diesem Land, in dem die Zahl der Menschen, die an Traumafolgestörungen leiden, noch immer extrem hoch ist, erfreut sich jedes neue „Werkzeug“ zur Behandlung dieser vielfältigen Erkrankung eines großen Interesses.

Ein Anfang ist gemacht, alle InteressentInnen sind aktiv dabei an diesem Vormittag. Es werden viele kluge Fragen gestellt und die Neugier auf das, was kommt, ist groß.

Auch wir sind neugierig, wie sich dieses Konzept bewähren wird. Jede Krise stimuliert am Ende neue Lösungen und Antworten. Mag es uns künftig gelingen, Wissenstransfer zu leisten – klimafreundlich, auf hohem Niveau und in guter Verbindung?

Elisabeth von Wedel

Einblick Ruanda Februar 2024

Das anprojektierte Projekt in Ruanda wurde zum Jahresende 2023 beendet. Im Oktober 2018 starteten wir hoffnungsvoll unter nach damaligem Kenntnisstand ausgezeichneten Grundvoraussetzungen. Es gab engagierte Menschen vor Ort, die sich für die Entwicklung der Homöopathie als Ergänzung zur Gesundheitsversorgung in Ruanda einsetzten. Es gelang uns, Kontakte auf Regierungsebene zu knüpfen, um für uns und unser Handeln von Beginn an eine legale Grundlage zu schaffen. Dies war uns in Ruanda ein besonders wichtiges Anliegen. Zwar hatten wir es hier formal mit einer recht stabilen Demokratie zu tun und mit einem Präsidenten, der für sein Land Bemerkenswertes auf den Weg gebracht hatte. Auf der anderen Seite waren wir uns doch der Zeichen eines totalitären Staates mit eingeschränkter Pressefreiheit und der Verfolgung politisch Andersdenkender stets bewusst.

Gespräche mit VertreterInnen des Gesundheitsministeriums ergaben zu dieser Zeit, dass sich Ruanda gesetzlich in einer Wandlungsphase befand: das Ziel dabei war, komplementäre Heilverfahren sowie traditionelle Medizin in die Gesundheitsversorgung mit einzuflechten. Es entstanden widersprüchliche Aussagen über die mögliche Einordnung der Homöopathie. Das Gesundheitsministerium beabsichtigte, die Homöopathie bei den ÄrztInnen auf akademischer Ebene zu etablieren. Dies wäre eine Entscheidung gewesen, die wir sehr begrüßt hätten, aber im Rahmen von HOG nicht hätten realisieren können. Der Verband der traditionell Heilkundigen hatte gleichzeitig großes Interesse an einer homöopathischen Ausbildung für seine Mitglieder, was sicherlich zu einer Aufwertung des Berufsstandes im Land geführt hätte. Auch diese Möglichkeit hätten wir sehr begrüßt und diesen Wunsch gern erfüllt. Hier entstanden jedoch zwei wesentliche Hindernisse: die Gruppe der traditionell Heilkundigen war sehr heterogen bezüglich der Grundbildung, variierend von AnalphabetInnen bis zu AkademikerInnen. Als viel größeres Hindernis für uns erwies sich jedoch die Tatsache, dass die politischen Mühlen deutlich schwerfälliger und langsamer liefen als erwartet. Wie wir es auch in anderen Projekten schon oft erlebt haben, wechselten über die Zeit, die ins Land ging, die Zuständigkeiten: wo vorher ein Amt von einer interessierten kooperativen Persönlichkeit bekleidet war, erlebten wir bei der nachfolgenden AmtsinhaberIn Schulterzucken und wenig Engagement. Diese Umstände und dazu die weltweite Pandemie, die für lange Zeit das Reisen und somit wichtige Kontaktpflege verhinderte, brachte das Projekt in große Schwierigkeiten.

Um die Zeit zu überbrücken, starteten wir mit dem Angebot eines Online-Einführungskurses. Theoretisch rühmt sich Ruanda für ein flächendeckend leistungsfähiges Internet, was sich in Realität leider nicht bestätigte. So waren wir anhaltend mit technischen und organisatorischen Problemen konfrontiert: das Commitment seitens der SchülerInnen ließ sehr zu wünschen übrig, oftmals waren sie schlecht vorbereitet und die Arbeit scheiterte an der Technik und / oder am Engagement. In der Reflektion ist diese Entwicklung ist für uns sehr verständlich und gut nachvollziehbar: Projekte bei HOG verdanken ihren Erfolg dem kontinuierlichen, sehr persönlichen Herzensengagement aller am Projekt mitarbeitenden Personen – sowohl im Projektnehmer- als auch im Projektgeberland. Grundvoraussetzungen für eine gelungene Projektarbeit unter widrigen Umständen sind persönliche Kontakte und Verbindungen, die durch gemeinsame Erlebnisse gespeist werden und sich durch immer wiederkehrende unmittelbare Begegnungen tragfähig entwickeln. Es war uns leider in diesem Projekt nicht vergönnt, diese rechtzeitig zu etablieren. 

Die Entscheidung über den Projektabbruch traf die Projektleitung in enger Abstimmung mit dem HOG-Vorstand. Wir sind überzeugt, dass wir die Erkenntnisse über das Scheitern des Ruanda-Projekts für zukünftige Projektentwicklungen, insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent, nutzen können.


Elisabeth von Wedel

Einblick Ruanda November 2018

Unsere erste Reise nach Ruanda, die zugleich meine erste Reise nach Afrika und mit HOG war, fand Anfang Oktober 2018 aufgrund einer Anfrage von Theoneste Buginga statt. Theo, wie wir ihn liebevoll nannten, hatte zusammen mit Scholastique Uwingabire (Schola) einen Online-Kurs für Homöopathie über eine britische Homöopathieschule besucht und mit Zertifikat beendet, während sich eine weitere Bekannte, Francoise Musabyimana (Fanni), noch in der gleichen Ausbildung befand. Und er hatte eine Vision: Ein Gesundheitszentrum mit homöopathischem Schwerpunkt, in dem jedoch auch andere alternative Therapieformen integriert werden sollten. Er erstellte uns schon im Vorfeld einen ausführlichen Plan inklusive Kostenplan. Die Kontakte mit ihm waren sehr angenehm. Er organisierte die Unterkunft und legte uns einen ausführlichen und detaillierten Plan unseres Besuches vor, bei dem ich mich fragte, wie wir in dieser kurzen Zeit alles bewältigen sollten. Also verlängerten wir den Aufenthalt vorsorglich um einige Tage.

Als wir – Matthias Strelow, Elisabeth von Wedel und ich – Ruanda am 1. Oktober in der Nacht erreichten, wurden wir herzlich von Theo empfangen. Diese Herzlichkeit und Freundlichkeit, die uns in Ruanda überall begegnete, ließen in mir das Gefühl entstehen, aufgehoben zu sein, ein wohliges Gefühl von Vertrautheit, das auch blieb, als ich am nächsten Tag das pulsierende Leben in Afrika erstmals erleben und genießen durfte. Theo, in seiner freundlichen und unaufdringlichen Art, begleitete uns bis zum Ende unserer Reise ständig, führte uns in die Gepflogenheiten Ruandas ein. Wir erlebten mit ihm wunderbare Tage und Abende mit langen und intensiven Gesprächen.

Theo war auch dann nicht enttäuscht, als wir ihm, Schola und Fanni beim ersten Perspektivtreffen klar machten, dass HOG ein medizinisches Gesundheitszentrum mit einem finanziellen Volumen von 240.000 Euro aus verschiedenen Gründen nicht finanzieren wird. Ein weiteres Anliegen, die Etablierung der Homöopathie in Ruanda und die Möglichkeit der Behandlung mit Homöopathie, blieb als primäres Ziel bestehen. Am Folgetag fand ein Treffen mit medizinisch und politisch wichtigen Personen des Landes statt, hierunter dem Leiter der traditionellen Heilerinnen und Heiler, einem Allgemeinarzt, einem Psychotherapeuten und einem Wissenschaftler mit Verbindung zum Gesundheitszentrum – alles hervorragend organisiert von Theo, der dann auch gleich die Übersetzung in Kinyarwanda (der ursprünglichen Sprache in Ruanda) übernahm. Die Homöopathie und HOG wurden dieser Gruppe vorgestellt, die Atmosphäre war locker und entspannt. Die Gruppe war an der Homöopathie sehr interessiert und es wurden viele Nachfragen gestellt. Man spürte einen Geist von Aufbruch, wie er überall in Ruanda vorhanden ist. Diese Menschen wollen etwas ändern und schaffen. Der verheerende Genozid des Jahres 1994 mit einer Millionen Toten hat dieses Land erschüttert, aber auch aufgeweckt. Dieses Treffen bahnte uns in der Folgezeit viele Wege.

Der Genozid und die Aufarbeitung dieses furchtbaren Traumas war und ist in Ruanda allgegenwärtig. So trafen wir in der Folgezeit Simon Gasibirege, der als Psychologe ein psychologisches Zentrum leitete, das Gruppentherapien zur Aufarbeitung des Genozids durchführt. Von diesem und von anderen psychiatrisch erfahrenen Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegekräften erhielten wir Einblick in die psychiatrischen Leiden der vom Genozid Betroffenen und den folgenden Generationen, die (obwohl nicht direkt betroffen) unter einem Folgetrauma leiden. Uns wurde unsere eigene Geschichte als vom Völkermord betroffene Deutsche bewusst. Und vielleicht ist es diese Geschichte, die uns im Besonderen mit diesem afrikanischen Land verbindet. Aber während in Deutschland der Genozid an den Juden erst eine sehr späte Aufarbeitung erfuhr und sich Altnazis noch in etlichen wichtigen Ämtern problemlos einrichten konnten, begannen die Menschen in Ruanda direkt nach dem Völkermord mit einer sehr offenen und ehrlichen Aufarbeitung und es entstanden an einigen Orten Genozid-Gedenkstätten. Dennoch ist die psychiatrische Versorgung erschreckend. Wir besuchten ein völlig überfülltes psychiatrisches Krankenhaus, in dem zur Behandlung der Schizophrenie fast ausschließlich Haldol eingesetzt wird mit entsprechenden schweren Nebenwirkungen. Und die Patientinnen und Patienten werden völlig überdosiert, wohl um Aggressivitäten in den viel zu engen und überfüllten Einrichtungen zu unterbinden. Denn es gab lediglich einen Psychiater, der in der Hauptstadt Kigali und der 3 Stunden Autofahrt entfernten Stadt Butare für mehrere Tausend Patientinnen und Patienten verantwortlich war.

In der Folgezeit trafen wir uns mit verschiedenen Verantwortlichen und hatten letzten Endes mehrere Optionen, die Homöopathie an institutionelle Einrichtungen anzubinden. Ein besonders wichtiges Treffen fand an unserem letzten Abend mit Justin Kabera statt, einem Wissenschaftler mit Beziehungen zum Gesundheitsministerium. Dieser erklärte uns, dass ein Gesetz zur Reglementierung der Komplementären Heilkunde kurz vor der Fertigstellung steht. Über diesen wurde unser Antrag, die Homöopathie in diesem Gesetz zu verankern und damit in Ruanda homöopathisch tätig sein und Homöopathie lehren zu dürfen, an das Gesundheitsministerium herangetragen. Eine Entscheidung steht noch aus.

Als wir Ruanda verließen, taten wir dieses mit dem guten Gefühl auf offene und an der Homöopathie interessierte Menschen getroffen zu sein. Wir haben in diesem Land Unterstützerinnen und Unterstützer aus verschiedenen Bereichen getroffen, Menschen, die für dieses Land etwas bewegen wollen. Letzten Endes liegt es nun am Gesundheitsministerium, ob wir den Weg, den wir gemeinsam mit unseren Partnern und mittlerweile auch Freundinnen und Freunden in Ruanda eingeschlagen haben, gehen können. Und Theo? Nun, Theo mussten wir leider verständlich machen, dass die homöopathische Online-Ausbildung, die er absolviert hat, wenig mit einer klassischen homöopathischen Ausbildung zu tun hat. Wir mussten ihm erklären, dass vor einer Behandlung mit Homöopathie, die wir unterstützen, eine fundierte homöopathische Ausbildung stehen muss. Und so ist es unser Ziel, die drei bereits homöopathisch Vorgebildeten weiter auszubilden und die Homöopathie als Ausbildung in Ruanda anzubieten. Es wären genügend Interessenten da, denn allein der Leiter der traditionellen Heiler, ein sehr eindrucksvoller Mann, der die große Chance der Zusammenarbeit erkannte, hat uns bereits 120 Schülerinnen und Schüler genannt. Wir hoffen, dass dieses Projekt eine Zukunft hat und wir die Menschen in Ruanda auf ihrem Weg mit der Homöopathie unterstützen dürfen.

Silvia Anna Brinkmann

Hilfe zur Selbsthilfe

Ruanda ist ein dichtbevölkerter Binnenstaat in Ostafrika und ist seit 1962 unabhängig. Wegen struktureller Probleme, einer hohen Bevölkerungsdichte und Konflikten zwischen den Volksgruppen der Hutu und Tutsi – die im Völkermord an den Tutsi 1994 gipfelten, in dessen Rahmen etwa 800.000 ethnische Tutsi und gemäßigte Hutu von radikalen Hutu ermordet wurde – zählte das Land zu den ärmsten in Afrika. Seit dem Ende des Bürgerkrieges setzte ein wirtschaftlicher Wiederaufbauprozess ein, der unter anderem durch die Ausbeutung von Rohstoffen in den östlichen Kongoprovinzen begünstigt wurde. Mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von etwa 8 Prozent im Zeitraum 2001 bis 2015 gehört Ruanda seit längerem zu den Ländern Afrikas mit dem stärksten Wirtschaftswachstum. Weite Teile der Wirtschaft werden durch die regierende Partei Ruandische Patriotische Front kontrolliert. Kennzeichnend für die ruandische Gesellschaft ist auch die für afrikanische Verhältnisse ungewöhnlich hohe Teilhabe von Frauen an der wirtschaftlichen und politischen Macht.

Medizinischer Hintergrund
Auf einen Arzt kommen etwa 18.000 Einwohner. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt rund 60,1 Jahre – für Männer 58,5, Frauen 61,7 Jahre. 31 % der Frauen nehmen Gesundheitsdienste bei der Geburt in Anspruch. 18 % der unter 5-jährigen Kinder sind fehlernährt (Stand 2005). Die Sterblichkeit der unter 5-jährigen Kinder beträgt etwa 7,6 %. Die HIV-Prävalenz an der Gesamtbevölkerung wird mit 2,9 % angegeben; sie ist in den sexuell aktiven Bevölkerungsteilen jedoch höher. Der Anteil der gesetzlich krankenversicherten Bevölkerung hat sich den letzten Jahren stark vergrößert und liegt bei 91 % (Stand 2010). Der Preis der Krankenversicherung beträgt etwa 1,50 Euro pro Person pro Jahr.

Besonders die Kinder leiden unter den Nachwirkungen des Völkermordes. Nach Angaben von UNICEF wachsen 600.000 Kinder ohne oder mit nur einem Elternteil und in extremer Armut auf. Nach Schätzungen von UNICEF gibt es in Ruanda rund 28.000 so genannte Kinderhaushalte. 90 % der Jungen und Mädchen aus Kinderhaushalten gehen nicht zur Schule. In der Vergangenheit rekrutierte der damalige kongolesische Rebell Laurent Nkunda immer wieder Kämpfer, viele von ihnen Kindersoldaten, aus den Flüchtlingslagern in Ruanda. Nach Schätzungen von UNICEF leiden heute in Ruanda rund eine Million Kinder unter besonders schwierigen Lebensbedingungen.

Ergebnisse eigener Erkundungen (Gespräche mit örtlichen Psychiatern und Psychologen): Transgenerationelle Traumata sind ein Problem; chronische Traumafolgestörungen; Süchte (Cannabis, Stramonium, Heroin, Alkohol) (noch immer werden 80 % der Suchtpatienten aus dem ‚Genocide suvivor fund’ bezahlt). Somatische Trauma-Erscheinungen sind vor Ort bislang kaum behandelbar. In psychiatrischen Krankenhäusern wird in ca. 50 % der Fälle Haldol verordnet in hohen Dosen, um die Patienten ruhig zu stellen. Dadurch treten die Traumafolgen etwas in den Hintergrund. Chronische Erkrankungen wie Allergien, Rheuma etc. sind weit verbreitet und kaum vor Ort bislang behandelbar, so dass wir denken, dass dies ebenfalls ein großes Handlungsfeld werden könnte.
Es besteht unter den Psychologen und Psychiatern ein großer Personalmangel. So ist es erforderlich, dass diese zur Versorgung der Patienten weite Fahrwege zurücklegen müssen. Psychische Erkrankungen, die häufig auch Folgeerkrankungen der Traumatisierung sind, wie Schizophrenien und Depressionen werden aus Kostengründen mit Medikamenten behandelt, die erhebliche Nebenwirkungen und Spätfolgen haben. So werden auch Schizophrenien fast ausschließlich mit Haldol behandelt. Dabei werden Patienten erheblich überdosiert, um sie ruhig zu stellen und körperlicher Gewalt in den Psychiatrien vorzubeugen. Dies hat zur Folge, dass Nebenwirkungen wie Früh- und Spätdyskenesien sowie Parkinsonsyndrome regelmäßig auftreten und unbehandelt bleiben mit erheblichen Folgen für die Patienten. Die Patienten werden derart überdosiert, dass sie auf der Akutstation teilweise ungeschützt in der prallen Sonne auf dem Betonboden liegen und sich damit erheblicher körperlicher Gefahr aussetzen. Psychisch erkrankte Patienten werden nicht nur auf der Akutstation, sondern auch auf der Stabilisierungsstation geschlossen untergebracht in Räumen mit 10-20 Betten. Gerade für traumatisierte Patienten mit Ängsten vor Menschen und psychotischen Patienten sind diese Zustände kaum erträglich.

Chance
Es besteht eine große Chance, die Homöopathie ins oder parallel zum Gesundheitssystem Ruandas implantieren zu können. Gespräche mit Justin Kabera, Biologe und Forscher im Bereich der Phytotherapie an der Universität Butares, der gute Beziehungen sowohl zum MoH (Ministery of Health) als auch zum Departement für Complementary Medicine hat, ergaben, dass das Gesetz zur Reglementierung der komplementären Heilkunde kurz vor der Fertigstellung steht. Insgesamt herrscht seitens der Regierung momentan eine große Offenheit. Dies betrifft insbesondere die Registrierung bzw. Zulassung homöopathischer Mittel, so dass diese sehr bald anzustreben ist. Die kostengünstige und effektive Behandlung traumaassozierter körperlicher und chronischer Erkrankungen sind hier gute Argumente.

Traditionelle Heiler werden von 80 % der Bevölkerung aufgesucht, entweder parallel zur Konventionellen Heilkunde oder ausschließlich, aber die Heiler leiden auch unter schlechter Reputation in der Gesellschaft. Der Repräsentant der Traditionellen hat großes Interesse an Ausbildung – sicher, um deren Reputation zu steigern. Das ist Bedarf und Chance zugleich, die Homöopathie mittig zwischen konventioneller Medizin und traditioneller Medizin zu positionieren – ähnlich wie in Indien.
Die Regierung hat erkannt, dass ohne traditionelle Therapeuten in der gesundheitlichen Versorgung nicht viel geht. Daher wurde eigens ein Departement für komplementäre und traditionelle Heilkunde im Gesundheitsministerium errichtet.

Zielsetzung (Stand: Januar 2019)

Kurzfristig:
Erstellung eines Papiers zur Homöopathie zur Vorlage beim MoH bzw. dem Leiter der Abteilung Komplementärmedizin, um eine Registrierung homöopathischer Mittel zu erreichen. Im Falle des Erfolgs könnten wir im Rahmen der LIWOHA z.B. mit supervidierten Behandlungen beginnen, die die LIWOHA für unabdingbar hält, um die nötige Reputation in der Bevölkerung und den Fachkreisen zu erlangen.

Mittelfristig:
Ausbildung! Sinnvoll möglicherweise hier eine Mischung aus E-Learning und Präsenz 2-4-mal im Jahr über ca. 3 Jahre. Nach Durchsicht der Ausbildungsunterlagen der drei Homöopathen aus Ruanda am letzten Tag unseres Aufenthalts, ergibt sich allerdings ein größeres Problem: Diese wurden am CPH (College for Practical Homeopathy) ausgebildet, das eine sehr pathologisch orientierte Ausbildung mit organotroper, entgiftungsorientierter Anwendung von homöopathischen Mitteln, inklusiver Gabe mehrerer Mittel zeitgleich, anbietet. Die Grundsätze klassisch-homöopathischer Behandlung sind nur rudimentär vermittelt worden.
Insofern hatten wir mit den Dreien vereinbart, als einen ersten Schritt eine Art Nachschulung mit ihnen, z.B. via Skype, durchzuführen. Wie das aussehen kann, bereitet uns Kopfzerbrechen, weil nahezu alles nochmal erklärt werden müsste. Möglicherweise schon vor Beginn und während der Ausbildung sollten supervidierte Behandlungen stattfinden (siehe oben).

Weiterführende Ziele:
Implementierung der Homöopathie in das Gesundheitssystem; Anerkennung durch Gesundheitsministerium, Kostenübernahme durch Krankenversicherungen
Errichtung eines homöopathischen Health Care and Training Centres
Ausbildung von CHW (Community Health Workers)

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